Gefühle kann man sich vorstellen wie einen Fluss. Wir stehen im Flussbett und die Gefühle fließen sozusagen “durch uns hindurch” wie Wasser auf der Haut spüren wir die Gefühle in unserem Körper. Wenn wir sie zulassen, können sie fließen. Wenn wir beispielsweise traurig sind und weinen, dann fließt die Traurigkeit durch uns hindurch. Weinen kann sich schmerzhaft anfühlen, doch danach fühlen wir uns oft leichter und befreiter. Danach ist wieder Raum für ein anderes Gefühl. Wenn uns dann beispielsweise etwas ärgert, drücken wir das aus, sprechen beispielsweise etwas an, das uns stört und so fließt der Körper durch uns hindurch. Und es ist wieder Raum für ein anderes Gefühl. Jetzt passiert vielleicht etwas, das uns freut und wir spüren diese Freude in unserem Körper, lachen und tanzen von Freude. Und dann fließt auch dieses Gefühl wieder ab. Doch was passiert, wenn wir diese Gefühle nicht frei fließen lassen?

Der Staudamm: Wenn Gefühle nicht fließen können
Ich möchte euch an einem Beispiel erklären, was passieren kann, wenn Gefühle unterdrückt werden. Hören wir uns jetzt die Geschichte von Ben an. Ben hat schon früh gelernt, dass es sich für einen Mann nicht gehört, traurig zu sein. Als seine Freundin sich eines Tages von ihm trennte, machte ihn das sehr, sehr traurig. Doch er errichtet unbewusst innerlich einen Staudamm, um diese Trauer nicht zu fühlen. Denn er hat gelernt „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“. So fühlte Ben keine Traurigkeit und vergoss auch keine Träne. Ihn ärgerte, dass seine Ex den gemeinsamen Hund mitgenommen hatte, ohne ihn zu fragen, doch auch diesen Ärger spürte er kaum, da der Staudamm so mächtig war, dass auch diese Gefühle zum Großteil abhielt. Er freute sich darüber, endlich mal wieder die Wohnung für sich zu haben und seinen Freiraum zu haben, doch auch diese Freude fühlte er nicht wirklich. Eigentlich fühlte er gar nichts mehr. Diese ganzen Gefühle konnten nicht fließen und er spürte nur noch Schwere und Leere. Als eines Tages dann sein Kollege einen Witz auf seine Kosten machte, konnte er den Staudamm nicht mehr aufrecht erhalten, er brach und Ben wurde von den Emotionen mitgerissen. In einer Welle aus Wut, Trauer, Angst und Verzweiflung schrie er seinen Kollegen an, zerdepperte seine Tasse, rannte aus dem Büro und eilte nach Hause, wo er weinend zusammenbrach.

Wenn wir einen inneren Staudamm aufbauen und versuchen, unsere Gefühle (unbewusst) zu unterdrücken, kann der Fluss der Gefühle nicht mehr frei fließen. Das kann dazu führen, dass wir nicht nur die unerwünschten Gefühle wie Trauer oder Ärger nicht mehr spüren, sondern dass wir auch positive Gefühle nicht mehr so spüren können, denn auch diese Gefühle sind dadurch mitblockiert. Durch den Staudamm fühlen wir uns möglicherweise innerlich leer und weniger lebendig.

Wenn sich zu viel angestaut hat, braucht manchmal nur eine „Kleinigkeit“ zu passieren und der Staudamm bricht. Das heißt, man wird von den ganzen bisher unterdrückten Gefühlen erfasst. Bei so einem Gefühlsausbruch kann es zu einem Wutanfall, einem Weinkrampf, einer Panikattacke oder Ähnlichem kommen. Ein “Gefühlsausbruch” kann sich befreiend anfühlen, doch oft ist er zerstörerisch und man sagt oder tut vielleicht Dinge, die man hinterher bereut.
Gefühle zulassen und ausdrücken
Jedes Gefühl ist wichtig und hat eine wichtige Funktion
An dieser Stelle möchte ich euch den sehr schönen Disneyfilm „Alles steht Kopf“ empfehlen, der die Bedeutung der Gefühle sehr gut veranschaulicht. Man kann denken, dass es sich „nur“ um einen Kinderfilm handelt, doch dieser Film ist meiner Meinung nach für alle Altersgruppen absolut empfehlenswert. Hier ist der Trailer:
Gefühle als Signallampen
Man kann sich Gefühle vorstellen wie Signallampen, die in unterschiedlichen Farben leuchten und uns etwas mitteilen wollen. Sie weisen uns darauf hin, dass es uns gut geht oder dass etwas nicht in Ordnung ist. Ähnlich wie die Lampen im Armaturenbrett eines Autos darauf hinweisen, dass wir tanken gehen müssen oder etwas mit dem Motor nicht in Ordnung ist. Es macht daher keinen Sinn, Gefühle zu ignorieren, denn das wäre, als würde man einen Aufkleber auf eine Signalleuchte des Autos kleben und sich am Ende wundern, wenn das Auto nicht mehr funktioniert.

In ihrem Buch „Gefühle & Emotionen: Eine Gebrauchsanweisung“ ordnet die Autorin Vivian Dittmar jedem Gefühl eine Kraft zu, die dadurch entsteht, dass man diesem Gefühl Raum gibt. Auch hierin verdeutlicht sich die positive Kraft der Gefühle:
- Kraft der Wut: Klarheit
- Kraft der Trauer: Liebe
- Kraft der Angst: Schöpfung
- Kraft der Freude: Anziehung
- Kraft der Scham: Demut
Möglichkeiten Gefühle auszudrücken
